Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Sonntag, 31. Oktober 2010
Kinder sind Frauensache
Ein Mann im Erziehungsurlaub ist auch noch Anfang des 21. Jahrhunderts eine Rarität und wird bestaunt wie ein Alien. Wie schon gesagt, bereits bevor unser Kind geboren war, stand fest, dass ich arbeiten gehen würde und mein Mann zu Hause bleiben wird. Geglaubt haben dass einige Leute nicht so recht. Es hieß nur immer: „Wartet mal bis das Baby da ist. Dann willst Du es gar nicht abgeben und dein Mann wird sicher auch keine Lust haben zu Hause zu bleiben“. Dabei hatten wir aber auch keine andere Wahl, denn finanziell haben wir es erheblich besser wenn ich arbeiten gehe. Die Zeiten in denen der Mann der alleinige Ernährer oder auch Hauptverdiener der Familie ist sind doch endgültig vorbei. Es ging also auch gar nicht anders, selbst wenn wir es gewollt hätte. Aber auch Andi freute sich sehr auf die kommenden Aufgaben.
Während der Schwangerschaft kann ein Mann der Frau das Baby nicht abnehmen. Auch wenn wir beide es uns manchmal gewünscht hätten. Ich wäre froh gewesen und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick das Kind abzugeben. So hätte ich mich mal von der Last ausruhen können. Endlich mal eine Nacht durchschlafen. Ja, das wäre wirklich schön gewesen. Andi hätte es auch mal interessant gefunden, wie sich so ein Baby im Bauch denn anfühlt. Aber ich glaube, hätte er die gleichen Beschwerden wie ich gehabt, hätte er es nach fünf Minuten wieder abgegeben. Jedenfalls, bekam er dann als Sascha auf der Welt war die Gelegenheit sich ausgiebig um seinen Sohn zu kümmern.
Doch als mein Mann dann den Erziehungsurlaub beantragte, ergab das schon die ersten Verwicklungen. Sowohl die Damen in der Verwaltung seines Arbeitgebers, als auch die Damen vom Versorgungsamt schienen mit der Tatsache völlig überfordert, dass mein Mann nach dem Mutterschutz gleich ein halbes Jahr Erziehungsurlaub nehmen wollte. Offenbar konnten sie nicht glauben, dass die Frau Geld verdienen musste und mein Mann sich sogar noch freute mal zu Hause bleiben zu können. Es erschien den meisten wie eine verkehrte Welt. Dabei dachte ich das Mittelalter wäre vorbei.
Erzählt mein Mann, dass er im Erziehungsurlaub ist, dann blicken viele Leute meinen Mann sogar mitleidig an. Sie glauben, dass ich ihn dazu gezwungen hätte. Ich bin dann die karrieregeile Ziege. Andi steht sowieso nur unter meinem Pantoffel. Das kann gar nicht sein, dass ein Mann sich so etwas freiwillig antut.
Erzähle ich dagegen, dass mein Mann den Erziehungsurlaub genommen hat, so werde ich mitleidig angeguckt. Gerade so als hätte ich erzählt, dass mir gestern ein Bein amputiert wurde. Oft bekomme ich den Satz zu hören: „Ich könnte nie mein Baby abgeben.“ Nur selten sagt jemand (meist ältere Damen): „Das hätte ich mir auch von meinem Mann gewünscht.“ Dabei sind die Reaktionen von Männern und Frauen unterschiedlich. Bei den Frauen findet sich ein größerer Prozentsatz, die Andi dafür insgeheim bewundern. Sie wünschten sich auch manchmal so einen Hausmann. Bei den Männern dagegen stößt man oft auf Ablehnung. Sie haben wohl Angst, dass ihre Frauen nun auch von ihnen fordern zu Hause zu bleiben.
Wenn mein Mann mit unserem Sascha allein unterwegs ist, dann wird er oft misstrauisch beäugt. Schreit dann auch noch das Baby. So ist für die Leute alles klar. Ein Mann kann einfach nicht mit einem Baby umgehen. Wahrscheinlich hat das Kind seit drei Tagen die gleiche Windel an und ebenso lange nichts zu essen bekommen.
Ich selbst bin oft hin und her gerissen. Zum einen bin ich stolz auf Andi, dass er nun so gut mit seiner Rolle umgehen kann. Ich kann nun beruhigt auf Arbeit sitzen und muss mir keine Sorgen um unser Baby machen, denn ich weiß ja er ist gut versorgt. Angesichts des Arbeitsklimas wünsche ich mir jedoch oft einfach nur Hausfrau und Mutter zu sein. Dann hätte ich diesen ganzen Stress nicht. Ich müsste auch kein schlechtes Gewissen haben, dass ich zu wenig Zeit mit meinem Sohn verbringe.

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Freitag, 29. Oktober 2010
Freizeit
Eine Beziehung ist etwas Schönes. Man hat einen Partner mit dem man das Leben teilen kann. Man ist zu zweit und kann alles mit dem anderen teilen. Es bleibt aber auch noch Zeit für andere Aktivitäten. Man hat Zeit für die Arbeit und kann eventuell die Karriere in Schwung bringen. Die Freizeit verbringt man zum größten Teil mit dem Partner. Man kann am Wochenende bis in die Nacht ausgehen und bis zum Mittag schlafen. Es ist Zeit für Hobbys und man kann wann immer man will irgendwo hin fahren. Sei es nun in den Urlaub oder zu Besuch bei Freunden. Doch dann kommt in vielen Beziehungen die Frage auf: Wäre es nicht schöner zu dritt? Wobei in manchen Beziehungen eine zweite Frau gemeint sein kann. Bei uns ging es aber doch um einiges konservativer zu und wir stellten uns vor wie unser Leben wohl mit einem Baby sein würde. Wir wussten zwar, dass sich unser bisheriges Leben von Grund auf ändern würde. Wir wussten nur nicht wie sehr.
Mit einem Kind verändert sich dann alles völlig. In der Schwangerschaft ist vielleicht noch einiges möglich. Natürlich nur wenn man nicht gerade wie ich mit zahllosen Beschwerden zu kämpfen hat. Doch spätestens ab dem Tag der Geburt wir dann alles anders. Auf einmal gibt es da jemanden der seine ganz speziellen Bedürfnisse anmeldet und zwar rund um die Uhr, vierundzwanzig Stunden am Tag sieben Tage die Woche. Gerade ist man eingeschlafen, da geht die Sirene auch schon wieder an. Die ersten Wochen ist man so völlig eingespannt, weil man sich erst an die neuen Aufgaben gewöhnen muss. Manchmal bis an die Grenze des Erträglichen. Danach wird es etwas besser. Man lernt dazu. Organisiert und steigert die Effektivität. Es ist wie ein Grundkurs in Management oder manchmal auch Katastrophenverwaltung. Aber man ist natürlich in seiner Freizeitgestaltung nicht mehr so flexibel und belastbar. Wenn man nach acht und mehr Stunden Arbeit nach Hause geschlurft kommt, sich anschließend noch um das Kind kümmert, hat man kaum noch Energie etwas anderes zu tun. Einige Menschen (meist männlich) haben jedoch keine Vorstellung davon. Entweder können oder wollen sie nicht verstehen, dass ein Kind Zeit kostet und einen festen Tagesablauf braucht. Für sie kann man ein Kind doch ganz easy zwischendrin reinschieben. Das wird halt nebenbei mit groß.
Zwar versuchen wir noch immer so viel wie möglich zu unternehmen aber irgendwo hat alles mal seine Grenzen. Es gibt Leute die rufen zu den unmöglichsten Uhrzeiten an und wollen mal ganz spontan ausgehen oder stehen einfach vor der Tür. Nach dem Motto: Wollte nur mal kurz vorbeikommen. Früher war das auch kein Problem. Man konnte einfach alles stehen und liegen lassen und sich lieber seinem Amüsement widmen. Jetzt gestaltet sich dieses etwas schwierig, da oft das Baby die meiste Zeit fordert.
Auch wenn wir mal zu Besuch fahren wollen erfordert das eine Menge organisatorisches Talent. Selbst wenn es nur für ein paar Stunden ist. Da gibt es soviel zu bedenken und einzupacken. Man geht immer wie ein Packesel aus dem Haus nur um an der nächsten Ecke festzustellen, dass man schon wieder etwas vergessen hat. Einmal ist es der Flaschenwärmer, beim nächsten Mal die Feuchttücher. Dies ist besonders in der Anfangszeit schwierig. Man hat noch nicht die Erfahrungen. Fährt man dann auch noch über das Wochenende weg, so gleicht das einem Umzug. Man muss den halben Haushalt einpacken und das Auto ist sowieso immer zu klein. Da vergeht einem die Lust schon vorher.
Auch Sascha hat manchmal keine Lust zu verreisen. Autofahren mag er ja meistens ganz gerne. Aber auch nur so lange sich das Auto bewegt. Schon an der ersten roten Ampel fängt er meistens an zu quengeln. Und rote Ampeln gibt es bei uns viele. Hat er sich erst einmal in Wut geschrieen, so hilft nur noch Augen zu und durch. Natürlich schläft er erst kurz vor unserem Zielort ein. Ist man dann endlich angekommen, so ist die Freude auf Saschas Seite auch erst einmal sehr groß. Er freut sich über die viele Aufmerksamkeit die ihm zuteil wird. Doch schon bald wird ihm das alles zuviel. Alles ist irgendwie anders und ungewohnt. Also erst mal quengeln und schreien und den Alten alles so richtig vermiesen. Zu Hause wäre es ruhiger und entspannter gewesen. Wir vereisen jetzt erst einmal nur noch sehr selten und wenn dann meistens nicht zu weit weg.

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Donnerstag, 28. Oktober 2010
Supermami?
Als Andi und ich das Kind planten war klar: Ich gehe nach den zwei Monaten Mutterschutz wieder arbeiten und er nimmt den Erziehungsurlaub. Auch wenn das ungewöhnlich klingt: Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was daran schön sein kann, zu Hause zu sitzen, und Flasche zu kochen, und Windeln zu wechseln. Dann noch die viele, monotone Hausarbeit. Einfach grauenvoll. Meine Arbeit machte mir immer Spaß und brachte jeden Tag neue Herausforderungen mit sich.
Aber schon während der Schwangerschaft begann ich daran zu zweifeln. Wenn ich wieder arbeiten ging, konnte ich ja nicht rund um die Uhr für meinen Sohn da sein. Ich würde viele seiner Entwicklungsschritte verpassen. Außerdem war ich nicht sonderlich begeistert an einen Arbeitsplatz zurückzukehren an dem ich so wenig Verständnis in der Schwangerschaft erfahren hatte. Aber vielleicht hatte sich die Lage inzwischen entspannt und beruhigt?
Als Sascha dann da war, wollte ich eigentlich gar nicht mehr arbeiten. Eine tolle Sache, das mit den Hormonen. So entschloss ich mich spontan im Anschluss an den Mutterschutz noch einen Monat Resturlaub zu nehmen. Der würde sonst verfallen. Eine Dame von der Verwaltung meinte ich solle dies unbedingt tun. Ich reichte den Urlaub also ein. Dies gefiel meiner Chefin gar nicht. Sie sagte es mir zwar nicht direkt, aber zu spüren sollte ich es bekommen. Ich wusste nicht, dass es bei ihr üblich war, nur etwa die Hälfte des Jahresurlaubes auszuschöpfen. Die andere Hälfte ließen die meisten Kollegen verfallen oder sie nahmen den Urlaub offiziell, nur um im selbigen wieder auf der Arbeit zu erscheinen.
Leider gingen diese freien Urlaubswochen viel zu schnell vorbei. Zum einen freute ich mich zwar der Enge des Haushaltes mit seinen immer wieder kehrenden, monotonen Aufgaben zu entfliehen. Zum anderen wäre ich natürlich gerne bei Sascha geblieben, um ihn noch weiter wachsen zu sehen, und keinen seiner Fortschritte zu verpassen. Ich hatte Bedenken, ob Andi mit den von ihm verlangten Aufgaben zurechtkommen würde. So dumm das klingt, ich muss ja zugeben, dass ich dachte er ist schließlich auch nur ein Mann und vielleicht sind Männer einfach nicht für Hausarbeit und Kindererziehung geschaffen. Außerdem hatte ich Bedenken an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, da die Chefin schon recht sauer war über meine langen Ausfallzeiten. Mit Krankheit, Mutterschutz und Urlaub waren es insgesamt fast sechs Monate gewesen. Eigentlich ja nicht so viel, wenn man bedenkt wie lange andere Mütter sich für ihre Kinder Zeit nehmen. Und dann war er da, der gefürchtete Tag X.
Neugierig, vielleicht auch ein bisschen ängstlich, gehe ich zu meiner Arbeitsstelle. Ich hatte ein paar Tage zuvor noch einmal angerufen, um zu sagen, dass ich wiederkomme. Doch was ist das? Mein Raum in dem ich gesessen habe, ist eine absolute Baustelle. Meine Ordner und Bücher sind in einem Wäschekorb verstaut. Von meinem Schreibtisch oder Telefon keine Spur. Ich warte erst einmal ab, bis die Chefin kommt, um sie zu fragen was dies zu bedeuten hat. Vielleicht klärt sich ja alles schnell auf. Da hatte ich geirrt. Die Chefin stürmt nur den Flur entlang und wiegelt im vorbeigehen ab, sie hätte keine Zeit. Also mache ich mir erst einmal einen Tee und überlege wie es weiter gehen soll. In den folgenden Tagen habe ich aber auch keinen Erfolg. Also fische ich mal den einen, mal den anderen Ordner aus meinem Korb und suche mir hier und da ein freies Fleckchen um überhaupt so etwas wie arbeiten zu können. Erst drei Tage später schaffe ich es tatsächlich meine Chefin zu einem Gespräch zu bekommen. Sie erläutert mir, dass ich mir eben einen Arbeitsplatz suchen müsse und ich solle mich nicht so anstellen. Das heißt also ich soll weiterhin meine Bücher im Wäschekorb auf dem Flur belassen. Als ich sie darauf anspreche ob ich bei abgeschlossener Renovierung einen Schreibtisch in meinem alten Zimmer bekomme, meint sie nur dass sie dies noch nicht wisse. Sie müsste sich erst überlegen wie der Raum in Zukunft genutzt werden soll. Als ich es in dem Gespräch noch wage, darum zu bitten meine Arbeitszeiten etwas flexibler zu gestalten, so wie es andere Kollegen eben auch tun, bekomme ich nur zur Antwort, dass sie sich dieses auch erst einmal überlegen muss. Richtige Arbeitsaufgaben bekomme ich auch nicht mehr zugewiesen. Das ist ja Mobbing vom Feinsten. Was hat sie nur? Habe ich mich nicht oft genug gemeldet als ich zu Hause war? Ich war schließlich krank oder hatte mit meinem Baby zu tun. Nach der Entbindung hatte ich mich außerdem zwei Wochen lang nicht auf Arbeit gemeldet. Schließlich springt man nach so einer Geburt nicht einfach aus dem Bett und rennt zur Arbeit nur um seine Geburtserlebnisse ausführlich zu diskutieren. Schon gar nicht wenn man einen Kaiserschnitt hatte. Ich verstehe das alles nicht. Keiner redet mit mir und auch die anderen Kollegen halten sich bedeckt. Was habe ich falsch gemacht?
Drei Wochen warte ich auf Arbeitsaufgaben und neue Arbeitszeiten. Vergeblich. Fünfundvierzig und mehr Stunden arbeite ich oft. So viel zu „Im Labor gehen immer alle pünktlich.“ Meinen Sohn sehe ich in der Woche nur wenn er schlafend im Bett liegt oder ich ihm morgens um fünf Uhr die Flasche gebe. Sascha wird in dieser Zeit immer unruhiger und weint sehr viel. Kein Wunder. Mir ist ja auch nur noch zum Heulen zumute. Dann eskaliert das Ganze erst richtig. Ich schlurfe meistens unausgeschlafen zur Arbeit, muss mir dann noch anhören wie unproduktiv ich sei. Das kann schon sein wenn man nachts kaum schläft. Mein Vater hat Wind davon bekommen, dass es seiner Tochter nicht gut geht. Wie Väter eben sind, nimmt er das in die Hand. Wirbelt eine Menge Staub auf und sorgt dafür dass nun ein Jurist mir anbietet sofort einen Auflösungsvertrag zu unterzeichnen. Das ist zuviel. Ich ziehe die Notbremse. Jetzt kommuniziere ich mit meiner Chefin nur noch über den Personalrat, der mir Recht in allen Punkten gegeben hat. Der Preis den ich dafür zu zahlen habe: Ich habe nun endgültig Gewissheit, dass meine auf zwei Jahre befristete Stelle nicht verlängert wird. Auch gut. Wenigstens kann ich meine Arbeitszeiten nun nach meinen Vorstellungen regeln und pünktlich gehen und sehe Sascha so wenigsten noch eine Stunde am Tag. Ach, wie kinderfreundlich unser schönes Land doch ist! So viel Verständnis um mich herum!
Dann muss man sich auch noch von den Kollegen anhören wie schwer sie es hatten. Wo man doch in der DDR mit dem ersten Kind nur ein halbes Jahr zu Hause bleiben konnte und mit dem zweiten Kind nur ein Jahr bei voller Bezahlung. Dazu kann man dann auch nichts mehr sagen. Ich denke mir nur den Leuten ging es viel zu gut in dieser Beziehung.
Nun muss man sich überall schon für die drei Monate rechtfertigen, die man nach der Entbindung zu Hause verbracht hat. In Gedanken sehe ich mich mehr als einmal erhobenen Hauptes zur Chefin gehen und die Kündigung auf den Tisch knallen. Alles nur Fantasie. Wovon sollten wir dann leben? Einen reichen Mann, der mich mit durchfüttern konnte, hatte ich nicht. In Wirklichkeit versuchte ich lieber, ihre Gegenwart so gut wie es eben geht zu meiden. Bloß nicht großartig auffallen. Einfachruhig vor sich hinarbeiten. Den Rest der zwei Jahre noch ganz in Ruhe voll machen und nur ab und zu in die Fantasie flüchten.
Aber auch privat läuft es am Anfang nicht reibungslos. Als ob der der Stress im Job nicht schon genug wäre. Oft, wenn ich von der Arbeit komme, finde ich einen Mann vor, der unrasiert, im Jogginganzug und mit zerwühlten Haaren auf der Couch liegt und mich anstrahlt. „Schön, dass du da bist Schatz.“, sagt er mit einem müden Lächeln. „Jetzt kannst Du ja weitermachen.“ und fällt fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf. Was ist denn jetzt los? Ich habe mich ja auch den ganzen Tag auf Arbeit ausgeruht und geschlafen. Ich kann es kaum glauben. Ich möchte mich auch auf die Couch legen. Aber die ist ja schon besetzt. Ich gucke also runter zu Sascha, der meistens Dank der Farbenblindheit meines Mannes in den abenteuerlichsten Kostümierungen erscheint. Manchmal ist von den eigentlichen Farben von Sascha T-Shirts nichts mehr erkennbar, da verschiedenste Essensreste auf demselben verteilt sind. Na ja, denke ich, erst einmal in die Küche und dem Kleinen etwas zu Essen holen. Nur wo ist die Küche? An manchen Tagen ist sie unter einem Berg schmutzigen Geschirrs, Essenresten und leeren Verpackungen begraben. Mein Mann kommt dann immer ganz stolz herein und sagt: „Guck mal was ich dir gekocht habe.“, strahlt mich an und erwartete wahrscheinlich noch ein Lob von mir. Mühsam ringe ich mir ein Lächeln ab und bringe nur noch „Schön.“ hervor.
Am Wochenende sieht es dann so aus, dass mein Mann erst einmal Urlaub vom Baby nimmt. Schließlich hat er sich die ganze Woche mit ihm abgemüht und möchte sich nun erst einmal richtig erholen. In gewisser Weise kann ich das sogar verstehen. Andererseits sitze ich dann meistens allein da und versorge mein Kind, während mein Mann schläft, Bier trinkt oder in der Nachbarschaft Computer repariert. Das geht so nicht weiter! Als ich ihn dann darauf anspreche, ist er ganz erstaunt und meint: „Wieso, Du wolltest doch am Wochenende etwas von Sascha haben. Du beschwerst dich doch dauernd, dass du ihn unter der Woche kaum siehst.“ Da bin ich erst einmal sprachlos. So kann man das natürlich auch sehen. Aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich wollte doch nur die schönen Dinge wie zusammen spielen, singen oder lachen. Ein laut quakendes Kind ertrug ich nach einer Woche nerviger Chefin nicht mehr.
Vor Sascha Geburt hatte ich mir alles so schön ausgemalt. Zur Arbeit gehen, danach mit dem Kind in einer schön aufgeräumten Wohnung spielen und noch etwas Zeit für Sport und Hobbys haben. Natürlich kommt immer alles ganz anders. Zum Sport schaffe ich es wegen chronischer Erschöpfung meist nicht mehr. Also muss ich wohl mit dem Restbauch leben. Auch Friseurbesuche sind nur noch selten drin, aber ein Pferdeschwanz ist ja zeitlos. Ohnehin könnte der Friseur sowieso nichts mehr retten. Ich bin nämlich schon fast ein halbes Jahr nicht mehr da gewesen. Die Strähnchen sind raus gewachsen, ebenso die Locken. Die Dauerwelle stand mir sowieso nie wirklich. Das heiß es gab nur eine einzige Friseurin in ganz Deutschland die mit meinem Haar fertig wurde und es sogar schaffte, das die Dauerwelle gut aussah und nicht wie ein Sessel dessen Füllung heraus quillt. Doch nun arbeitet sie nur noch stundenweise und das vierzig Kilometer von mir entfernt. Eine andere Friseurin mit den gleichen Fähigkeiten konnte ich noch nicht auftreiben und nach diversen Haarexperimenten habe die Lust verloren. Es ist so wie mit meiner Oma und ihrem Pfefferkuchen. Nur sie ist in der Lage einen luftige lockeren Pfefferkuchen zu backen. Meine Mutter und ich haben vergeblich versucht das Rezept nachzubacken. Leider nur mit geringem Erfolg. Der Kuchen war dünn und klebrig. So wird wohl eines der größten Geheimnisse der Backkunst mit dem Tod meiner Oma untergehen. Hoffentlich lebt sie noch viele, viel Jahre. Doch zurück zu meinen Haaren. Die Dauerwelle war nur eben das einzige Mittel, um aus meinen Haaren noch etwas anders zu machen als einen Pferdeschwanz. Also, wer braucht schon Dauerwelle und Strähnchen. Man muss ja auch nach außen sehen, dass ich eine beschäftigte, junge Mutter bin. Schön aussehen brauche ich ja eh nicht mehr, denn ich habe ja schon meinen Traummann gefunden.
Da Sascha etwas gegen das Einkaufen von Kleidung hat, gibt es nur noch Katalogmode. Wenn ich es mal in die Stadt zum einkaufen schaffe, dann schläft Sascha zuerst fest in seinem Kinderwagen. Sobald ich jedoch ein Geschäft betrete und an einem Kleiderständer verweile, geht die Sirene an. Also fallen solche Einkaufstouren erst einmal aus. Man kann eben nicht alles haben.
Einige Wochen und viele Diskussionen später hat mein Mann den Haushalt und Sascha endlich gut im Griff. Er hält es sogar durch immer für Sascha frisch zu kochen und keine Gläschen zu verwenden. Ich glaube, ich hätte das nicht geschafft. Mein Mann verschafft mir nun sogar hin und wieder Freizeit. So habe ich sogar die Muße mit Lara Croft am Computer durch fremde Welten zu streifen und alles niederzumetzeln was sich einem in den Weg stellt. Auch wenn es kaum jemand versteht, ich finde das nach einem anstrengenden Arbeitstag manchmal sehr entspannend.

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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58
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