Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Freitag, 22. Oktober 2010
Gesund oder doch krank?
Es ist gar nicht so einfach zu begreifen, dass ich jetzt frisch gebackene Mutter bin. Die Schwangerschaft ist wirklich vorbei! Trotz der Schmerzen fühlte ich mich wie neu geboren, denn sie werden ja täglich weniger. In der Schwangerschaft war das umgekehrt gewesen. Während ich so nachdenke wird mir klar, dass ich es keinen Tag länger mit ihm im Bauch ausgehalten hätte. Mir wird jetzt erst bewusst dass ich Gedanken hatte wie: „Wenn du dich jetzt vor einen LKW wirfst, ist alles vorbei.“ Solche Gedanken waren mir bis dahin völlig unbekannt. Ich bin also unendlich dankbar, dass dieser Kaiserschnitt gemacht wurde. Sonst hätte ich mir womöglich noch etwas angetan.
Eine andere Sache wurde mir erst später bewusst. Ich glaubte ja, eine Fehlgeburt erlitten zu haben. Fast zwei Jahre später unterhielt ich mich noch einmal mit meiner Hebamme darüber. Sie hatte mich nicht seit Beginn der Schwangerschaft betreut und wusste daher nichts davon. In dem besagten Gespräch meinte sie, dass es auch durchaus möglich gewesen sei, dass es sich bei den starken Blutungen lediglich um eine Einnistungsblutung der Eizelle gehandelt haben könnte. Das erklärte mir so Einiges. Ständig hatte ich in der Schwangerschaft das Gefühl, das Baby sei viel weiter entwickelt, als es mir die Ärzte weiß machen wollte. Bei der Geburt hatte Sascha schon sehr lange Fingernägel (was noch nicht viel zu sagen hat), aber seine Käseschmiere war vollständig verschwunden. Nur in den Achselhöhlen und in den Haaren fand sich noch ein kleiner Rest.
Ich hatte während der gesamten Schwangerschaft das Gefühl, dass mit dem Baby irgendetwas nicht stimmte. Ich befürchtete, dass es ernsthaft krank oder behindert sein könnte. Lag das nun an meiner Arbeit, bei der ich mit genetischen Erkrankungen zu tun hatte? Oder machte ich mir nur Sorgen, weil ich während der Schwangerschaft gezwungen war mit giftigen Chemikalien zu arbeiten. Das Mutterschutzgesetz ist zwar eindeutig, aber die Umsetzung scheint wohl in vielen Fällen nicht zu gelingen. Die Betriebsärztin fragte mich nur wo ich denn arbeiten würde und damit war die Sache erledigt. Von älteren Mitarbeitern bekam ich zu hören, dass es früher ganz normal war, dass die Frauen an diesen Arbeitsplätzen arbeiteten und ich solle mir keine Gedanken machen. Komisch, aus anderen Klinikbereichen hatte ich erfahren, dass Mitarbeiterinnen sogar neue Schreibtischstühle zur Verfügung gestellt wurden, damit sie überhaupt einige Stunden vor dem Computer arbeiten durften. Ich hingegen sollte den ganzen Tag auf einem nicht geeigneten Stuhl vor irgendeinem Holztisch mit Mikroskop und Computer aushalten. Aber jetzt war ja Gott sei Dank alles vorbei. Mein Sohn schien gesund, abgesehen von einer leichten Neugeborenengelbsucht. Wenigstens hatte er dadurch eine gesunde sonnengebräunte Gesichtsfarbe.
Seltsam war, dass seine Hände und Füße manchmal bläulich anliefen. Da tippte man schon auf einen kleinen Herzfehler. Durch einen Ultraschall wurden jedoch alle Bedenken zerstreut. Und die Ärzte meinten, es könnte daran liegen, dass er wohl noch so unreif ist und die Temperaturregulation noch nicht richtig funktioniert. Damit war ich dann auch zufrieden.
Ich schob erst einmal alle schlechten Gedanken beiseite und freute mich nun auf den ersten Besuch. In den ersten vier Tagen auf Station, kam nur Andi zu Besuch. Ich hatte darum gebeten, um etwas Ruhe zu haben. Schließlich musste ich mich erst einmal etwas erholen. Außerdem brauchte ich auch Zeit um mich an die neue Situation zu gewöhnen. Ich wollte, dass unsere kleine Familie erst einmal nur Zeit für sich hat, damit wir uns alle aneinander gewöhnen können.
Nachmittags ist endlich Zeit für den Besuch. Meine Eltern und meine Schwester haben sich angekündigt. Meine Mutter ist eine stolze Oma. Sie freut sich sehr über ihr erstes Enkelkind. Und geht scheinbar völlig in ihrer neuen Rolle auf. Auch meine siebzehn jährige Schwester freut sich schon auf ihre zukünftige Rolle als Tante. Mein Vater dagegen scheint mit der Situation etwas überfordert. Er beäugt Sascha nur kurz und wendet sich dann lieber mir zu. Er meint er fühle sich sowieso erst wie neunundzwanzig und damit noch gar nicht wie ein Opa. Ich muss dazu sagen, dass er keineswegs mehr aussieht wie neunundzwanzig, sondern wie ein richtiger Opa eben. Verzeih mir Papa! In den folgenden Tagen lässt er sich dann nicht mehr blicken. Ich glaube das war alles ein bisschen viel für ihn. Er braucht wohl noch etwas Zeit um sich an diese neue Situation zu gewöhnen.
Auch einige Freunde und Bekannte besuchen mich in den folgenden Tagen. Für die meisten ist es eine ganz neue Situation, denn wir sind so ziemlich die ersten in unserem Umfeld, die den Schritt in die kleine Familie gewagt haben.

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Donnerstag, 21. Oktober 2010
Mutter werden ist nicht schwer…
Als frisch gebackene Mutter erwarten einen viele neue Aufgaben. Es gibt zwar viele schlaue Bücher und Unmengen an Zeitschriften zu den verschiedensten Aspekten der Babypflege und Erziehung, aber im wahren Leben sieht doch vieles ganz anders aus.
Die erste Hürde, die als frisch gebackene Mutter zu nehmen ist - das Stillen. Obwohl ich mich auch zu diesem Thema schon ausführlich belesen hatte, wusste ich in der Praxis gar nicht wie ich das anstellen sollte. Ich starre also erst mal entsetzt auf mein Baby und weiß nicht wie ich anfangen soll. Wie muss ich ihn festhalten? Ich habe gar nicht so viele Hände wie ich bräuchte. Man möchte dem Winzling ja auch nichts abrechen. Eine Schwester, die meine Irritation bemerkt hat, unterstützt mich nach besten Kräften. Ihre Bemerkung: „ Oh, Sie haben ja gar keinen Busen!“, versuche ich zu ignorieren. Das habe ich gebraucht. Mit dieser Unzulänglichkeit muss ich schon mein ganzes Leben verbringen. Da brauche ich nicht noch eine Schwester, die mich darauf hinweist. Aber wie sehr ich mich auch mühe, das Stillen will einfach nicht gelingen. Denn ohne mich zu fragen wurde ihm schon die Flasche gegeben und nun hat Sascha natürlich keine Lust an etwas herumzusaugen wo überhaupt nichts herauskommt. Das ändert sich dann die folgenden Male. Er saugt immer kräftiger, so dass es erst nur weh tut, dann jedoch so heftig, dass ich anfange zu zittern und schließlich brüllen wir beide um die Wette. Ich habe das Gefühl als hätte er schon Zähne im Mund, so heftig beißt er zu. Entsetzt stürmt eine Ärztin ins Zimmer und fragt ob hier jemand ein Kind kriegen würde. Das war es dann mit dem Stillen. Sascha würde also ein Flaschenkind werden. Ich muss mir noch von diversen Ärzten anhören wie schmerzempfindlich ich doch sei, und soll mich nicht so anstellen. Aber das ist mir egal. Jedenfalls sind wir bei den Mahlzeiten beide zufrieden. Soviel zu dem Thema Stillen ist die beste Ernährung für ihr Kind. Es hätte ja sowieso keinen Sinn gehabt bei meinem Untergewicht auch noch ein Baby miternähren zu wollen. Irgendwoher müssen die Nährstoffe ja kommen. Da helfen auch keine gut gemeinten Ratschläge wie: „Es kommt nicht auf die Größe der Brust an.“
Für viele Mütter ist Stillen die beste Diät, aber so etwas hatte gar nicht nötig. Mit neunundvierzig Kilogramm nach der Entbindung hatte ich zum ersten Mal ein vernünftiges Gewicht, aber nicht genug um davon auch noch etwas abzugeben. Ich weiß gar nicht warum ich mich vorher so unter Druck gesetzt gefühlt habe. Ich hatte immer das Gefühl, als wäre ich eine schlechte Mutter wenn ich nicht stillen kann.
Die nächste Herausforderung ist es, das Baby allein zu versorgen. Dazu gehören baden, wickeln und anziehen. Ich habe zwar schon einige Male das Ganze von meinem Bett aus beobachtet und es sah auch alles sehr einfach aus. Aber da habe ich mich wohl geirrt. Ich bin bei weitem noch nicht so fit wie ich dachte. Die sadistische Schwester bringt Sascha, sagte sie hätte keine Zeit und ich könnte das bestimmt schon allein. Dann verschwindet sie und ich bin auf einmal auf mich allein gestellt. OK. Wir schaffen das. Also erst einmal das erste Problem: das Aufstehen. Die Beine wollen mir immer noch nicht gehorchen und fühlen sich an wie Pudding. Habe ich etwa Muskelschwund? Es kostet meine ganze Willenskraft damit sie sich bewegen. Ich habe das Gefühl die Beine gehören nicht zu meinem Körper. Jede falsche und zu heftige Bewegung wird außerdem sofort mit einem stechenden Schmerz in der Bauchregion bestraft. Leicht schwindelig ist mir außerdem. Hoffentlich falle ich nicht um. Ich hoffe inständig, ich kann irgendwann wieder laufen. Endlich habe ich es geschafft und bin an Saschas Bettchen angelangt. Nun muss ich ihn nur noch herausheben. Dabei den Kopf stützen nicht vergessen und ihn zum Wickeltisch tragen. Auf dem Weg bloß nicht hinfallen. Noch ein paar Schritte. Geschafft! Es ist inzwischen fast eine halbe Stunde vergangen und Sascha brüllt berechtigterweise immer lauter. Ihm geht es natürlich viel zu langsam. Er hat ja schließlich großen Hunger. Jetzt muss ich ihn aber erst einmal ausziehen und die Windel wechseln. Warum schreit er nur so. Ich will ihm doch nur helfen und nicht umbringen. Die Wärmelampe ist auch an und Hände und Füße habe ich ihm auch nicht abgerissen. Endlich geschafft. Kaum hat er nach dem Windeln die Flasche im Mund, ist es endlich ruhig. Na ja, bis auf meine Bettnachbarin, die seit Tagen lauthals wegen ihrer geschwollenen Hände jammert. Die Hände sind so dick geschwollen. Und sie würde doch die Knöpfe vom Strampler nicht zukriegen und die Hände sind doch so dick usw. usw. usw. Solche Probleme möchte ich haben. Zum Glück darf sie morgen nach Hause. Ich jammere ja auch nicht und ich glaube ich hätte mehr Gründe dafür. Nur der Mann meiner Bettnachbarin tut mir leid. Der muss sich das zu Hause dann den ganzen Tag lang anhören. Wer weiß wer wohl als Nächstes mit ins Zimmer kommt. Sascha scheint nun endlich satt zu sein und bäuert zufrieden. Ich lege ihn in sein Bett und krieche vorsichtig in meines. Ich bin völlig erschöpft und will nur schlafen. Doch was ist das? Ich höre ein leichtes Schniefen aus dem Glasbettchen, das sich langsam in ein Wutgebrüll steigert. Das darf doch nicht wahr sein! Ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen soll. Nach immerhin zwanzig Minuten (neuer Stationsrekord) habe ich es dann wieder aus dem Bett geschafft. Noch einmal in die Windel gucken- Nichts. Drücken die Sachen vielleicht? Auch nicht. Noch einmal füttern und dann ist endlich Ruhe. Zum Glück kommt Andi heute Nachmittag und kann das übernehmen. Ich schlafe erleichtert ein.
Nachdem ich mich etwas erholt habe, muss ich aber nun auch noch für mich sorgen. Die Duschen und Toiletten sind natürlich am Ende des Ganges, meilenweit von meinem Zimmer entfernt. Muss ich einmal dorthin, so dauert der gesamte Weg etwa eine halbe Stunde. Da ich zum Abstillen irgendwelche fiesen Tabletten bekommen habe, macht mein Kreislauf überhaupt nicht mehr mit. Ich habe kaum das Zimmer verlassen und bewege mich in Richtung Bad, da beginnt sich alles um mich zu drehen. Der Boden scheint unter den Füßen zu schwanken und fühlt sich gummiartig an. Mir wird schlecht. Alles scheint in Zeitlupe abzulaufen. Die Sekunden erscheinen endlos lang. Kurioserweise überlege ich noch ob ich mich erst übergeben und dann umfallen soll oder lieber umgekehrt. Da eilt mir eine freundliche Schwesternschülerin zur Hilfe. Sie hat wohl an meiner Gesichtsfarbe und dem starren Blick erkannt, dass ich in Not geraten war. Sie schafft es gerade noch mich in mein Bett zu bugsieren. Ich liege dort erst einmal und warte ab bis die Karussellfahrt zu Ende ist. Mein Magen beruhigt sich auch langsam wieder. Doch nun piekst die dumme Naht, weil die Blase zum platzen voll ist. Na toll! Keine Schwester zu sehen. Was soll ich jetzt machen? Da wird mir wohl nicht anderes übrig bleiben als wieder aufzustehen und es erneut zu versuchen. Diesmal habe ich Glück. Ich schaffe es tatsächlich allein zur Toilette. Die Tabletten habe ich dann die folgenden Male einfach unauffällig verschwinden lassen. Es ging dann auch schon viel besser. Kaum bin ich von meinem Toilettenabenteuer zurück, da ist auch schon der Kleine wieder dran. Ich glaube ich klingele erst mal nach einer Schwester. Ist mir egal was die denken. Ich kann nicht mehr!
In den folgenden Tagen ist Sascha dann das liebste Kind der Station. Nur selten hört man von ihm ein wimmern oder quengeln. Wichtig ist nur ihn ausreichend und vor allem pünktlich zu füttern. Denn beim Essen versteht er keinen Spaß. Er ist so pünktlich wie eine Schweizer Taschenuhr. Es ist als wüsste er genau wann vier Stunden um sind. Er braucht dann immer reichlich Milch. Oft auch einen Nachschlag. Er nimmt so viel er eben kriegen kann. Ich glaube er wird uns noch die Haare vom Kopf essen.
Auch in der ersten Nacht, die ich mit ihm gemeinsam in unserem Krankenzimmer verbringe, weil die Schwestern zu viel zu tun haben oder zu faul sind, bleibt er ruhig und friedlich. Hoffentlich bleibt das auch weiterhin so pflegeleicht.

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Mittwoch, 20. Oktober 2010
Begegnung der anderen Art
Alles endete dann Sonntag, genau drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und viele Klinikbesuche später mit dem Satz: „Können sie es noch bis morgen aushalten?“ Ich fragte nur ungläubig: „Was?“ und dachte ich hätte mich verhört. Ich hatte den Geburtsvorbereitungskurs doch nur zweimal besucht und keine Ahnung von Geburt. Außerdem hatte ich schreckliche Angst vor dem Priming und tagelangen Wehen. Es wurde mir vorausgesagt, dass es bei mir wohl sehr lange dauern würde, da der Muttermund noch völlig geschlossen war. Außerdem war es unklar ob das Kind durch den Geburtskanal passen würde. Der Arzt sagte dann zu meiner Erleichterung: „Ja, für morgen ist schon einen Kaiserschnitt geplant wenn sie wollen, können sie danach gleich drankommen, denn unter den gegeben Umständen wäre das wohl die beste Lösung. Können Sie noch bis morgen warten?“ Und ob, am liebsten wäre ich dem Arzt um den Hals gefallen. Denn nun sollten alle meine Leiden von einem Tag auf den anderen beendet werden.
Noch am selben Abend wurde ich in der Klinik einquartiert. Ich war zunächst allein auf dem Zimmer und konnte kaum den morgigen Tag erwarten. Ich war schon voller Neugier und Vorfreude. Vor dem Eingriff selbst hatte ich keine Angst, denn ich war ja schon zweimal operiert worden. Meine einzige Sorge war, ob Andi auch dabei sein durfte, denn dies war in diesem Krankenhaus wohl nicht die Regel. Andi musste allen versprechen nicht umzufallen und wenn doch, dann dem Krankenhaus deswegen keinen Ärger zu machen.
Am folgenden Tag, dem Montag, ging dann alles ziemlich schnell. Andi und meine Mutter kamen morgens ganz früh. Ich hatte nach einer Dosis Faustan gut geschlafen und wir waren auf dem Weg in den Operationssaal. Da kam es dann zur bereits erwähnten Namensgebung unseres Sprösslings. Als wir angekommen waren bekam ich ein OP- Nachthemd, äußerst schicke Thrombosestrümpfe und eine Mütze an. Ich muss wohl ziemlich dämlich ausgesehen haben, aber das ist einem in so einem Moment völlig egal.
Dann stellte sich der operierende Professor vor und fragte meine Mutter gleich aus wo sie denn entbunden hatte. Meine Mutter antwortete, dass sie genau vor fünfundzwanzig Jahren mich auch hier mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebracht hatte. Später stellte sich dann heraus, dass derselbe Professor meine Mutter damals entbunden hatte. Damit war also eine neue Familientradition entstanden. Ich hoffe ich bekomme noch eine Tochter und der Professor bleibt Dank der Heraufsetzung des Rentenalters noch lange im Dienst, um diese Tradition fortzuführen. Der Professor findet dies auch alles kurios, denn bei einer der folgenden Visiten muss er vor allen Anwesenden noch einmal diese Anekdote erzählen.
Ich wurde dann in den Nachbarraum geschoben und die Spinalanästhesie wurde gelegt. Ich wurde gefragt wann ich den kein Gefühl mehr im Unterleib hätte und nach einiger Zeit und einige Atmungsschwierigkeiten später, durfte dann auch mein Andi endlich in den Operationssaal. Da dies wie bereits erwähnt in dieser Klinik unüblich war, musste Andi, um glaubhaft zu machen, dass ihm die Operation nichts ausmacht, dem Anästhesieassistent ausführlich erzählen wie man auf einem Bauernhof Schafe und Schweine schlachtet. Dieser meinte nach kurzer Zeit, Andi solle aufhören, sonst würde ihm noch schlecht werden.
Als Andi sich dann am Kopfende hingesetzt hatte ging es los. Er lugte über das grüne OP-Tuch (was normalerweise nicht zu empfehlen ist) und ich hatte das Gefühl es waren nur zwei Sekunden vergangen und ich hörte die ersten Schreie meines Sohnes Sascha. Mein Mann und ich sahen uns in die Augen. Uns schossen die Tränen der Rührung in die Augen und ich freute mich, mein Baby nun das erste Mal zu sehen. Doch was war das. Es wurde nur kurz gerufen: „Hier ist ihr Baby.“ Mein Sohn wurde kurz über das Tuch gehalten. Ich sah ein rosiges, schreiendes Etwas. Dann sah ich halb im Drogennebel wie eine Schwester etwas in ein Handtuch gewickelt wegtrug und dann war auch noch Andi weg. Halt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wo war mein Kind, ich wollte es sehen. Sofort! Wo zum Teufel war mein Mann und auch meine Mutter war nirgends zu sehen, und was sollen eigentlich all diese fremden Menschen um mich herum. Ich will sofort nach Hause.
Als ich mich wieder etwas gesammelt hatte, verlangte ich nach meinem Mann, der mir half auch noch das Zunähen zu überstehen. Danach wollte ich einfach nur noch schlafen. Was ich dann auch fast den ganzen Tag tat. Meinen Sohn bekam ich nur als Polaroid zu sehen. Er war an lauter Geräte angeschlossen und schlief. Besser als gar nichts dachte ich mir. Aber das war mir nach all den Drogen auch schon völlig egal. Irgendwann gegen Abend wurde der Drang Baby Sascha zu sehen, dann doch sehr stark. Ich erfuhr, dass er auf der Neonatologie zur Beobachtung lag. Wie zum Teufel sollte ich dort hinkommen. Schließlich hatte ich gerade eine OP überstanden und ein Loch im Bauch. Mit viel Anstrengung gelang es mir mich trotzdem in einen Rollstuhl zu setzen. Was in Anbetracht der Tatsache, dass meine Beine aus Butter waren, sehr schwer fiel. Ich wurde also in das Zimmer geschoben. Feuchtwarme Luft schlug mir entgegen. Mir wurde schlagartig übel, aber es gelang mir noch einen kurzen Blick auf meinen Sohn zu erhaschen. Er lag in einem Wärmebettchen, nur mit einer kleinen Windel bekleidet. Der kleine nackte Oberkörper war an Geräte, die seinen Puls und seine Atmung überwachten angeschlossen. Mehr konnte ich nicht sehen. Dann drehte sich alles und ich wurde mit meinem Rollstuhl in mein Zimmer gebracht.

…Erst zwei Tage, einige Versuche Sascha zu sehen und eine Zimmerverlegung später am Mittwoch habe ich Zeit meinen Sohn länger zu betrachten. Nachdem die Schwester das Zimmer verlassen hat, bin ich mit ihm fast allein. Bis auf die restliche Zimmerbesatzung natürlich. Sascha ist fünfzig Zentimeter lang und Dreitausendfünfzig Gramm schwer, wie ich auf seinem Schild am Bettchen lesen kann. Er ist nun schön gewaschen, hat einen winzigen Strampler an und rührt sich nicht. Er hat weine winzige Stupsnase, weinige dunkelblonde Härchen sind auf seinem Kopf zu sehen. Die Haut ist glatt und sieht weich aus. Die Schwester hat ihn gleich früh am Morgen in einem Glasbettchen neben mein Bett geschoben. Die Müdigkeit ist sofort verflogen. Ich bin aufgeregt und neugierig. Schließlich ist dies meine erste richtige Begegnung mit meinem Baby. Ich versuche an das Bettchen zu kommen, um ihn herauszunehmen, oder wenigstens zu berühren. Das steht mir ja nun endlich auch zu. Aber diese Schwester muss wohl eine sadistische Ader haben. Denn sie hat das Bett viel zu weit von mir entfernt aufgestellt und ich kann mich immer noch kaum bewegen. Der Bauchschnitt tut mäßig weh und die Beine sind immer noch irgendwie taub - Ist das eigentlich normal? Ich beginne mich zu fragen ob es hier versteckte Kameras gibt, und die Schwestern in ihrem Zimmer sich jetzt auch noch über mich kaputt lachen, wie versuche irgendwie nach meinem Kind zu angeln. Nach etwa einer halben Stunde gebe ich entnervt auf. Doch dann passiert es. Der Kleine übergibt sich im Schlaf, fängt an zu husten und hört gar nicht mehr auf. Oh Gott! Was soll ich jetzt machen. Eine Sekunde lang versuche ich aus dem Bett zu springen. Bis mich ein stechender Schmerz an den Schnitt erinnert. Ich kann ihn nicht hochnehmen, meine Bettnachbarin ist nicht da, nicht einmal die sadistische Schwester ist zu sehen. Da fiel es mir ein den Knopf zu drücken und eine Minute später steht eine Schwester im Zimmer. Endlich gibt sie mir Sascha in den Arm. Für einen Augenblick bin ich überwältigt und glücklich. Doch was nun. Er ist ja so winzig. Ich traue mich kaum mich zu bewegen. Ich könnte ja etwas kaputt machen, vielleicht einen Arm abbrechen oder so. Also liege ich ganz still da und beobachte das mir fremde Wesen als wäre es von einem anderen Stern. Obwohl er nichts anderes tut als schlafen, kann ich die Augen kaum von ihm lassen.

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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58
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