Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Mittwoch, 1. Dezember 2010
Der zweite Anlauf
Sascha hat seine Bronchitis endlich überwunden. Nun wird es für ihn wirklich Ernst. Er muss nun von acht bis sechzehn Uhr in der Krippe bleiben. Ob ihm das nun passt oder nicht. Hoffentlich bleibt er diesmal gesund.
Heute hole ich ihn zum ersten Mal ab. Während der Arbeit habe ich schon die ganze Zeit nervös auf die Uhr gestarrt und mir überlegt was Sascha wohl gerade tut. Jetzt wird der Papa ihn zur Krippe gebracht haben. In diesem Augenblick wird er wohl essen und nun schlafen. Die Zeit scheint einfach nicht zu vergehen. Sie zieht sich zäh dahin wie Kaugummi. Endlich ist es soweit ich stürze von der Arbeit zur Krippe. Auf den Strassen ist die Hölle los. Jeder möchte gerade nach Hause. Zum Glück bin ich zu Fuß unterwegs und muss nicht noch im Stau stehen. Im Kindergarten angekommen erwartet mich schummrige Beleuchtung. Ich kann meinen Sohn nicht sofort entdecken. Es spielen zwei Kinder auf dem Teppich und ein drittes dickes Kind liegt im Arm der Erzieherin und trinkt Tee. Es ist Sascha, wie sollte es auch anders sein. Freudig gehe ich auf Sascha zu. Der nimmt erst mal keine Notiz von mir, sondern ist mit seinem Tee beschäftigt. Dann warte ich eben noch ein bisschen. Als er fertig ist, nehme ich ihn auf den Arm. „Na, Mama ist da. Freust Du Dich gar nicht?“, sage ich. Sascha guckt mich mit heruntergezogenen Mundwinkeln an. Dann krallt er sich erst einmal in meinem Gesicht fest. Die spitzen, kleinen Fingernägel bohren sich ins Fleisch als wolle er mir sagen: „Siehst Du das hast Du nun davon, weil Du mich hier allein gelassen hast.“ So eine Begrüßung hatte ich nicht erwartet. Inzwischen wird die Erzieherin nicht müde mir zu erzählen was für ein liebes Kind Sascha heute war. Er hat ja so schön gegessen und geschlafen. Gerade beim Essen ist er ja schon so schön selbstständig und isst immer alles auf. Als sie gerade dabei ist zu erklären wie freundlich Sascha den ganzen Tag über ist, hat dieser gerade meine Lippen in seinen kleinen Fäusten und quetscht und zieht sie wie verrückt. Ich glaube es ist jetzt wirklich an der Zeit nach Hause zu fahren, sonst ist von meinem Gesicht bald nur noch ein blutiger Klumpen übrig.
Auf dem Weg zu unserer Wohnung hängt Sascha teilnahmslos in seiner Karre. Nur ab und zu lässt er ein Schmatzen hören, welches mir andeutet, dass er sehr hungrig sein muss. Das Essen in der Krippe war wohl doch nicht so gut. Zu Hause angekommen, habe ich ein müdes, hungriges und überreiztes Kind vor mir. Durst hat er auch schon wieder. Ich mache ihm also erst einmal eine Flasche Tee. Nach zwei Minuten ist die leer und der Hunger tritt nun in den Vordergrund. Die Beschäftigungstherapie wird immer schwieriger. Sascha beginnt sich bald die Augen zu reiben. Ein untrügliches Zeichen sehr starker Ermüdung. Endlich haben wir es bis siebzehn Uhr geschafft. Das war nur eine halbe Stunde. Dann muss ich Sascha seinen Milchbrei kochen, ihn füttern und ausziehen. Wie jeden Abend kommt Andi, um mit ihm zu baden. Endlich das erste richtige Lachen an diesem Abend. Nach dem Bad geht es auch sofort ins Bett. Nach zwei Minuten Geweine, weil er übermüdet ist, schläft er selig ein. Ich bete, dass er sich schnell an den Krippenalltag gewöhnt und nicht jeden Abend so ungenießbar ist.
Das mit dem Krippenalltag erledigt sich dann schon wieder nach wenigen Tagen. Sascha bekommt nun in regelmäßigen Abständen eine Bronchitis nach der anderen. Kaum bin ich mit ihm zu Hause, bin ich auch schon wieder krank, dann Andi, dann wieder Sascha, dann ich und wenn nicht irgendjemand von uns draufgeht dann geht das wohl bis zum Frühling so weiter.
Die Erkältungen sind bei mir so schlimm wie seit meinen eigenen Kindertagen nicht mehr: mit Fieber und allem was dazugehört. Andi hält meistens am längsten durch. Uns kommt langsam der Gedanke, dass es gar keine Krippe ist, in die Sascha geht. Vielmehr muss es sich um eine Versuchsanstalt für hochaggressive Killerbakterien handeln. Die Kinder sind dabei die Überträger und die Eltern dann die Testobjekte. Diese Erreger schaffen es sogar einen Erwachsenen Menschen innerhalb von wenigen Stunden vom Zustand kerngesund bis todkrank zu katapultieren. Beim ersten Mal dachten wir ja noch an einen Zufall. Aber so langsam ist das nicht mehr schön. Andi und ich waren sonst relativ selten krank. Mal einen Schnupfen im Winter. Meistens war es aber nichts Ernstes. Doch jetzt häufen sich die Krankheiten erstaunlich. Wir sind schon so oft krank, wie in den letzten fünf Jahren nicht mehr. Es ist fast so als hätte man überhaupt kein Immunsystem mehr. Das erstaunlichste ist, dass es Sascha bereits nach zwei bis drei Tagen wieder recht gut geht. Wir Erwachsenen sind dagegen viel länger krank. Also wer hat hier nun noch kein Immunsystem? Aber vielleicht liegt es einfach nur daran, dass wir uns nie so recht ausruhen können. Entweder muss man arbeiten oder wir müssen uns zu Hause um Sascha und den Haushalt kümmern. Gerade wenn es Sascha sehr schlecht geht, dann kann das schon zur großen Herausforderung werden. Sascha wacht dann oft in der Nacht im halbstündigen Takt auf, weil er husten muss oder er vom Fieber so sehr schwitzt oder er hat Hunger, weil er den ganzen Tag kaum etwas gegessen hat oder, oder, oder. Das ist manchmal schlimmer als in unserer Startphase, ganz am Anfang kurz nach seiner Geburt. In dieser Zeit mussten wir ja „nur“ alle drei bis vier Stunden in der Nacht aufstehen. Da kam man dann insgesamt auf viel mehr Schlaf. Aber zum Glück sind diese schlaflosen Nächte nicht all zu häufig.

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Uns kommt langsam der Gedanke, dass es gar keine Krippe ist, in die Sascha geht. Vielmehr muss es sich um eine Versuchsanstalt für hochaggressive Killerbakterien handeln. Die Kinder sind dabei die Überträger und die Eltern dann die Testobjekte.

So schauts aus. Ich habe damals den Kinderarzt gefragt, wie es sein kann, dass uns diese aus der Kita eingeschleppten Erkältungen so heftig und so oft ausgeknockt haben. Er sagte, die Kinder hätten diese Errkältungen mit sehr viel höherer Keimzahl als Erwachsene. Das heißt: Einmal vom eigenen Kleinkind aus nächster Nähe angeniest oder angehustet, da kriegt man mehr ab als in einem vollbesetzten U-Bahn-Waggon, in dem alles schnieft und röchelt.

Irgendwann hat man sich aber wieder einigermaßen eingependelt immuntechnisch.

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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58
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