Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Donnerstag, 11. November 2010
Katastrophe Kinderbetreuung
Für berufstätige Eltern ist er unerlässlich- der Krippenplatz. In Deutschland ist er eine Seltenheit und teuer dazu. Die Ansprüche der Eltern heutzutage sind auch groß. So sollte die Kindertagestätte auf jeden fall in der Nähe des Wohnortes liegen, eine schöne Umgebung haben und natürliche nette Erzieherinnen haben. Auch ein Erziehungskonzept ist für uns wichtig. Schließlich soll so eine Tagesstätte ja nicht nur eine Verwahranstalt sein, in der die Kinder sich selbst überlassen werden. Dem Kind sollte die Möglichkeit geben werden hier seine Fähigkeiten und Talente zu entdecken und zu entwickeln.
Am Anfang war es am schwierigsten überhaupt einen Krippenplatz zu finden. Laut Pressemeldungen soll der Osten Deutschland bestens damit versorgt sein. In der Praxis sieht es jedoch manchmal ganz anders aus. Ich möchte gar nicht wissen, wie es dann im Westen Deutschlands aussieht. Die meisten Kindertagesstätten in unserer Umgebung nehmen erst gar keine Kinder im Alter von acht Monaten auf oder sie sind hoffnungslos ausgebucht.
In unserer Wunschkrippe meldeten wir uns an, da war ich erst im vierten Monat schwanger. Es stand ja nicht einmal fest, ob es das Baby wirklich geben sollte. Aber selbst da konnte uns nicht zugesichert werden, dass wir den Platz dann auch bekommen wenn wir ihn brauchen. Als unser Sohn fast sechs Monate alt ist und wir endlich eine Zusage brauchen, sind wir „schon“ auf Platz achtundsechzig der Warteliste angelangt. Toll, wenn das in diesem Tempo weitergeht, schafft es unser Sohn vielleicht noch vor dem Eintritt ins Rentenalter dranzukommen. Darauf können wir also nicht bauen.
Notgedrungen suchen wir nach Alternativen. Wir haben Glück und bekommen noch einen anderen Platz vorgeschlagen. Na gut, er ist weit weg und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Wahrscheinlich muss ich mich mitten in der Nacht mit meinem Sohn aufs Fahrrad setzen und stundenlang durch die Dunkelheit fahren – aber was soll’s. Die Öffnungszeiten sind von sechs Uhr dreißig bis siebzehn Uhr. „Aber keine Minute länger.“, sagte die Leiterin der Einrichtung. Da wird sich meine Chefin aber freuen. Da muss ich immer pünktlich von der Arbeit verschwinden. Überstunden so gut wie unmöglich. Oder Andi muss das Hinbringen und Abholen komplett übernehmen. Der wird sich aber freuen. Wir besichtigen aber erst einmal die Tagesstätte. Vielleicht lohnt sich ja der ganze Aufwand wenn die Einrichtung alles bietet, was wir uns wünschen. Doch da haben wir uns wohl geirrt. Draußen macht alles noch einen ganz guten Eindruck. Es gibt viel Platz und grün ist es auch ringsumher. Einige Spielgeräte aus Holz oder naturbelassenen Baumstämmen sind aufgebaut. Doch kaum kommen wir nach drinnen, können wir es nicht fassen. Die gesamte KITA ist eine einzige Baustelle. Kinder die gemütlich beim Kreischen der Bohrer und Meißel ihre Brote essen. Überall sind die Wände raus gebrochen. Alles ist voller Staub, Schmutz und Lärm. Natürlich sollte alles fertig sein, wenn wir in zwei Monaten unseren Sohn hierher bringen. Also ich glaube das eher nicht. Aber es sollte noch besser kommen. Der Betreuungsschlüssel sah zwölf Säuglinge und Kleinkinder auf eine Erzieherin vor. Ich glaube ich habe nicht richtig gehört. Ist das überhaupt zulässig? Haben die je selbst Kinder gehabt? Bin gespannt wie das gehen soll. Wahrscheinlich können die Kinder sich selbst die Windel wechseln und ihren Brei alleine essen. Und wo wir gerade beim Essen sind: Zu essen sollte es nur Vegetarisches geben. Und das bei unserem kleinen Fresssack. Der würde dort allen gehörig die Ohren zubrüllen, wenn es nichts Anständiges zu essen gibt. Regeln für die Kinder sollte es auch keine geben in dieser Einrichtung. Die Kinder sollten lernen sich selbst zu erziehen. Ich sah alles schon bildlich vor mir. Unser Sohn in einer Horde weinender Babys, die um anständiges Essen und Zuwendung betteln und sich gegenseitig verhauen ohne dass jemand eingreift. Also breitestes Lächeln aufsetzen, sagen: „Oh, welch modernes und innovatives Konzept. Das ist ja mal was ganz anderes.“ Bloß raus hier.
Also nächster Anlauf. Schlimmer kann es ja nicht mehr werden. Oder? Die Krippe liegt in der Nähe des Waldes – schön. Maximal sechs Kinder auf eine Kraft – Toll. Frühförderungsprogramme, anständiges Essen – Ich glaube den nehmen wir. Es gibt eine schöne Außenanlage, schöne Gruppenräume und Badezimmer. Also lassen wir Sascha hier aufnehmen. Doch kurz bevor wir Sascha in die Krippe geben wollen auch hier der Schock. Viele Eltern nehmen ihre Kinder aus der Krippe, weil sich um diese wohl anscheinend nicht gekümmert wird. Die Kinder werden morgens in einem Raum gesammelt und dort auch nicht mehr raus gelassen, bis sie endlich abgeholt werden. Um sie kümmert sich in dieser Zeit fast niemand. Sie bleiben dann mehr oder weniger sich selbst überlassen. Das heißt also, dass wir auch hier absagen müssen. Damit beginnt unsere Suche erneut. Wir müssen noch auf den letzten Drücker eine neue Tagesstätte auftun. Wie durch ein Wunder finden wir, nachdem wir einen Tipp bekommen hatten, in der Nähe meiner Arbeitsstelle noch eine solche. Also wieder mal eine Besichtigung. Was uns jetzt wohl erwartet? Wir rechnen nun schon mit allem. Uns kann jetzt nichts mehr schocken. Wir kommen also an und schauen uns um. Die Räumlichkeiten scheinen in Ordnung. Auch der Betreuungsschlüssel ist OK. Es gibt ein gutes Erziehungs- und Förderungskonzept. Bis jetzt haben wir auch nur Gutes von dieser Einrichtung gehört. Wir entschließen uns Sascha jetzt hierher zu schicken. Es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig. Mal sehen wie das so wird. Denn langsam vertraut man ja niemandem mehr.
Nur die Finanzierung ist noch fraglich. Ich weiß nicht ob es den Damen und Herren unserer Regierung schon einmal aufgefallen ist, aber das Kindergeld reicht nicht mal für den Grundbetrag. Aber wenn man im Monat so viel verdient wie mein Mann und ich zusammen in einem Jahr dann ist das alles kein Problem. Aber mit einem Krippenplatz ist es ja noch nicht getan. So ein Kind braucht ja noch viele andere Dinge zum leben. Etwas zu Essen ist wichtig. Besonders für Sascha. Kinder brauchen alle naselang neue Kleidung, da sie unaufhörlich wachsen. Zu guter letzt hin und wieder mal Spielzeug. Ganz zu schweigen von den Dingen, die ein Kind braucht, wenn es älter ist und zur Schule geht. Bei den horrenden Beiträgen für die Krippe, die demnächst auch noch erhöht werden sollen, glaube ich, dass wir uns demnächst nicht einmal mehr unsere Zwei-Raum-Wohnung leisten können. Unsere neue Adresse lautet dann wahrscheinlich: Unter der Brücke, Pappkarton 18.
Wenigstens scheint unser Kind in der KITA gut untergebracht zu sein. Mal sehen was Sascha dazu sagt, wenn Papa ihn hinbringt und einfach dalässt. Mir fällt es jetzt schon schwer zur Arbeit zu gehen und Sascha mit Papa ganz alleine zu lassen. Was soll das erst werden, wenn ich auf der Arbeit sitze und mein Kind in den Händen „fremder“ Leute ist.

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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58
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