Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Mittwoch, 3. November 2010
Absolutes Desinteresse
Bereits vor der Geburt eines Kindes macht man sich heutzutage Gedanken, wie ein solches wohl am besten zu erziehen sei. Schließlich gibt es in unserem Umfeld ja eine Menge warnender Beispiele, wie man es auf keinen Fall machen sollte.
Da gibt es zum Beispiel die konsequent antiautoritär erzogenen Kindern. Diese Ende der sechziger Jahre entwickelte Erziehungsform, erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit. Gibt sie doch den Eltern die Möglichkeit, sich fast vollständig aus der Verantwortung zu stehlen. Das alles unter dem Vorwand, dass sie den Kindern uneingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Bekannte von uns besitzen gleich zwei solche Musterexemplare, die somit im Doppelpack ihre Umwelt terrorisieren.
Kind Nummer eins ist etwa zweieinhalb Jahre alt und Kind Nummer zwei erst sechs Monate. Das mit dem Terror funktioniert dann in etwa so: Die Eltern sind samt Kindern zum Geburtstag bei uns eingeladen. Es gibt natürlich eine reichlich gedeckte Kaffeetafel mit Kuchen und Getränken. Kind Nummer eins kommt und schnappt sich einen Berliner und futtert genüsslich den Zuckerguss ab. Danach wird der Berliner wieder hingelegt und der Nächste ist an der Reihe. Nach dem dritten Berliner wird es meinem Mann zu bunt und er nimmt den Kuchen weg. Das Kind macht ein fürchterliches Geschrei und die Mutter guckt einfach nur desinteressiert auf ihr schreiendes Kind. Greift nicht ein und sagt auch nichts. Danach beginnt ein neues Spiel: Was passiert wenn ich meine Faust in volle Gläser stecke – das Glas läuft über und alles über den Tisch und die Mutter guckt desinteressiert zu. Als der Vater nun ausnahmsweise doch mal etwas sagen wollte, wurde er sofort mit dem Satz „Ach, lass ihn doch.“ von seiner Frau ausgebremst. Die Kinder dürfen einfach alles. Als der Ältere beschließt, dass er jetzt auf dem Kanal Boot fahren möchte, können ihm die Eltern dies nicht abschlagen. Also setzt sich die gesamte Familie (mit Baby) natürlich ohne Schwimmwesten ins Boot. Sie paddeln über den von vielen Motorbooten befahrenen Kanal. Die Mutter hat das Baby auf dem Schoß, während Kind Nummer eins über der Bootswand hängt, um mit der Hand ins Wasser zu fassen. Der Vater rudert selbstverständlich. Wollen die etwa ihre Kinder loswerden? Bei dem Benehmen wäre das kein Wunder. Die Mutter hatte uns einmal erklärt, dass die Kinder gewisse Erfahrungen alleine machen müssen, ohne das die Eltern immer dazwischen reden und sagen „Lass dass“. Dazu gehört wohl auch die Erfahrung aus dem Boot zu fallen, und zu ertrinken, oder von einem Motorboot überfahren zu werden.
Aufgrund dieser Tatsachen beschließen wir bei der nächsten Feier das Pärchen nur noch, ohne Kinder einzuladen. Ich habe nämlich keine Lust mich die ganze Zeit über so etwas aufzuregen. Diese Feier ist unsere Hochzeit. Das Pärchen versicherte uns allein zu kommen, und die Kinder bei der Oma zu lassen. Natürlich ist das nicht der Fall. Denn Oma und Opa werden der kleinen Bande einfach nicht Herr. Die Kinder sind inzwischen zwei Jahre älter. Die Techniken sind perfektioniert. Kind Nummer zwei hat in dieser Zeit viel von Kind Nummer eins gelernt. Also gibt es nun zwei fröhlich tobende Kinder, die über Tisch und Bänke gehen, andere Kinder zum Weinen bringen und Chaos veranstalten. Da wird gehauen, geschubst und geschrieen. Geschirr wird entwendet und fast zerschlagen. Die Eltern gucken nun beide desinteressiert zu oder befinden sich einfach im Nebenraum, um nichts mehr von all dem mitzubekommen. Das Chaos darf selbstverständlich von anderen beseitigt werden. Dazu gehört die misshandelten Kinder trösten und die ungezogenen Kinder bestrafen. Alles in allem ist das auch eine effektive Methode der Eltern, um ungestört feiern zu können. Ergebnis der ganzen Aktion: Wir haben den Kontakt zu besagtem Pärchen vollständig abgebrochen und beschlossen, dass diese Form der Erziehung für uns nicht in Frage kommt. Wir werden nämlich sehr gerne zu Freunden eingeladen. Das Pärchen verbringt jetzt höchstwahrscheinlich seine Zeit als Eremiten in einer einsamen Höhle, wo sie desinteressiert ihren Kindern zugucken können.
Wir waren uns also einig. Kinder brauchen Regeln. Dazu gehört auch, kein Fernsehen im Säuglingsalter. Denn was das anrichten kann, sehen wir bei einer anderen Bekannten. Dort läuft der Fernseher ständig. Natürlich meistens der Disney Channel. Als ob ein achtmonatiges Kind irgendetwas von der Handlung neunzigminütiger Filme mitbekommen würde. Später liefen dann auch Talkshows, Fußballspiele und Horrorfilme – wahrscheinlich, um das Kind vielseitig zu bilden. Dieses Kind starrt auch ständig den Fernseher an, kommt kaum zum Essen und ist auch sonst sehr hippelig. Die Eltern haben sogar den kleinen Esstisch des Kindes nach dem Fernseher ausgerichtet. Wahrscheinlich wird sein erstes Wort „Fernsehen“ sein.
Auch das Überschütten der Kinder mit Spielzeug, anstelle Zeit mit ihnen zu verbringen, ist eine beliebte Strategie in der heutigen Zeit. Dabei investiert man seine ganze Zeit und Energie in die Arbeit. Am besten von morgens bis abends. Die Karriere ist nämlich das wichtigste im Leben. Das Kind wird schon irgendwie nebenbei mit groß. Wenn da nur nicht doch das schlechte Gewissen wäre. Um dieses zu beruhigen, kauft man soviel Spielzeug wie man kann und der Geldbeutel hergibt, und glaubt so dem Kind gerecht zu werden.
Ein weiteres Erziehungskonzept ist das Modell Anfang 20. Jahrhundert. Unsere Großeltern haben das zum Teil noch mitgemacht. Bei diesem Modell geht es darum die Kinder mit vielen körperlichen Züchtigungen und drakonischen Strafen zu kleinen Erwachsenen zu machen, die lieb und ruhig sind und möglichst bald auf dem Feld mitarbeiten können. Die Leute hatten wohl in dieser Zeit andere Probleme, als sich intensiv mit der Kindererziehung auseinanderzusetzen. Dieses Konzept kommt für uns natürlich auch nicht in Frage. Also entscheiden wir uns für den goldenen Mittelweg. Nicht zu streng, aber feste Regeln und diese konsequent durchsetzen. Dies hört sich in der Theorie ganz einfach an. Ist in der Praxis aber manchmal schwer durchzusetzen, z.B. wenn man erschöpft von der Arbeit kommt und sich nur noch auf die Couch fallen lassen möchte. Da fällt es schwer noch Energie aufzubringen, um einen noch gar nicht müden Zwerg zu unterhalten. Dieser versucht dann noch mit allerhand Quengelei seinen Willen durchzusetzen. Klar, dass man dann auch mal die Regeln sein lässt und nachgibt, nur um seine Ruhe zu haben. Bis jetzt scheint unser Erziehungskonzept aber ganz gut zu funktionieren. Als Sascha das Alter erreicht hat, sich an allen Schränken hochzuziehen und alles zu untersuchen, hört er oft schon beim ersten Mal wenn wir „Nein.“ sagen. Leider jedoch nicht immer.

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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58
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