Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Montag, 25. Oktober 2010
Schönheit liegt im Auge des Betrachters
Jetzt nach drei Monaten gewöhnen wir uns an ein Leben mit unserem neuen, manchmal etwas eigenwilligen Mitbewohner. An den mittlerweile immer gleichen Rhythmus von füttern, wickeln und schlafen. Dem wir uns auch angepasst haben. Sascha hält sich mittlerweile exakt an den vier-Stunden-Rhythmus. Nachts lässt er uns auch schon fünf oder sechs Stunden schlafen. Mehr ist aber nicht drin, denn der Hunger ist bei Sascha viel größer als die Müdigkeit. Nach den vergangenen Wochen ist dies für uns trotzdem die reinste Erholung. Sascha wächst und gedeiht in dieser Zeit recht rasch und holt den Gewichtsrückstand schnell auf. Wahrscheinlich ist er auf das Essen so versessen, weil es bei mir im Bauch nie etwas gab.
Nun ist es Zeit, dass auch alle Freunde und Bekannten Sascha besuchen kommen. Denn alle, die uns noch nicht im Krankenhaus besucht haben, sind neugierig und wollen das neue Baby sehen. Also fangen wir an Termine zu vergeben und einen strengen Zeitplan aufzustellen, um selbst auch noch etwas Schlaf und Erholung zu finden. Alle wollen Sascha begutachten und ihm Geschenke zukommen lassen. Das freut die Eltern natürlich am meisten. Zumal wir finanziell nicht gerade üppig ausgestattet sind. Sascha lässt der Besuch meist unbeeindruckt. Er will auch weiterhin nur essen, schlafen und saubere Windeln. Wach ist er nur relativ selten. Wenn es dann nichts zu essen gibt, wird meistens nur gebrüllt.
Christin, eine ehemalige Studienkollegin, ist heute zu Besuch. Sie hat zwar schon sehr lange einen Freund, wohnt aber nicht mit ihm zusammen und möchte auch keine Kinder. Familie ist für sie ein Alptraum. Eine wissenschaftliche Karriere ist da schon eher ihr Gebiet. In der Schwangerschaft stand sie mir aber immer zur Seite und verfolgte alles mit großem Interesse. Nun sitzt sie Sascha gegenüber und mustert ihn gründlich von oben bis unten. Dann meint sie plötzlich: „Sag mal findest du ihn etwa hübsch? Der hat ja gar keine Haare. Nicht einmal Augenbrauen oder Wimpern. Das sieht irgendwie komisch aus.“ Ich gucke überrascht. Was für eine Frage! „Natürlich finde ich ihn schön.“ antworte ich. Er hat doch die kleine knubbelige Stupsnase, die großen blauen Augen und so niedliche kleine Hände und Füße. Wie kann man nur auf die Idee kommen so etwas nicht schön zu finden. Ich glaube jede Mutter ist fest davon überzeugt, dass ihr Kind das hübscheste oder intelligenteste auf der Welt ist.
Ein paar Tage später gehen wir in der Stadt spazieren, um mal wieder ein bisschen unter Leute zu kommen und so auch am ganz normalen Leben jenseits unserer Wohnung teilzunehmen. Dabei treffen wir einen Bekannten, der auch gerade frischgebackener Vater ist. Seine Tochter hatte nur wenige Tage später als Sascha das Licht der Welt erblickt. Schon von weitem strahlt er uns stolz den Kinderwagen vor sich her schiebend und die Freundin an der Seite an. Er hält an und präsentiert uns voller Stolz sein kleines Töchterchen. Andi und ich gucken neugierig in den Kinderwagen. Da liegt sie friedlich schlafend und das halbe Gesicht ist mit schwarzen Haaren übersäht. Sie hat nur eine Augenbraue und auch die Ohren und Wangen sind von einem dünnen schwarzen Flaum überzogen. Es sieht fast aus wie ein dünnes lichtes Fell. In diesem Moment erwische ich mich, wie ich mir innerlich wie Christin die Frage stelle, ob sie ihr Kind denn wohl hübsch finden. Natürlich weiß ich auch, dass diese Haare ausfallen und sie ihr Kind trotzdem lieben. Deshalb sage ich höflich, dass ich sehr niedlich finde.
Auch Christin findet Sascha bald niedlich, aber erst sehr viel später, als er Zähne hat, einen lustigen blonden Igelschnitt, Wimpern und Augenbrauen.

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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58
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