Die Familie ist tot!- Es lebe die Familie
Montag, 18. Oktober 2010
Pribislav
Ob unser Kind nun ein Junge oder ein Mädchen wird, war uns erst einmal egal. Ein Mädchen hielten wir allerdings für pflegeleichter. Warum das so ist, kann ich gar nicht sagen. Im Großen und Ganzen jedoch, war es uns wie wohl allen Eltern am wichtigsten, dass unser Kind gesund und munter ist. Da spielt das Geschlecht nur eine untergeordnete Rolle.
Etwa im vierten Monat ging ich zu einer der Vorsorgeuntersuchungen mit Ultraschall. Auf dem Bildschirm erschien in schwarz und weiß das kleine Wesen. Die Ärztin fragte mich dann ob ich wissen wolle was es den wird. Darauf meinte ich: „Sehr gerne. Aber sie brauchen es mir nicht zu sagen. Ich kann es schon selber sehen.“ Tatsächlich präsentierte das Baby alles was es hatte. Es erschien überdeutlich und fast riesig groß auf den Bildschirm. Es war sofort klar. Es kann nur ein Junge werden. Damit konnten wir beginnen einen Namen für den neuen Erdenbürger zu finden.
Die Namenssuche für ein Kind gestaltet sich, glaube ich in vielen Fällen schwierig. Man möchte schließlich sichergehen auch den richtigen Namen für ein Kind auszusuchen. Er sollte nicht all zu häufig sein, aber auch schön und klangvoll. Denn schließlich muss das neue Familienmitglied ein Leben lang mit seinem Namen aushalten. Es lohnt sich daher schon einige Zeit darin zu investieren. Besonders schwierig gestaltet sich meiner Meinung nach die Namenssuche für einen Jungen. Mädchenamen fielen mir gleich dutzendweise ein. Aber einen passenden Namen für einen Jungen zu finden erschien mir schwieriger. Hätten wir ein Mädchen bekommen, wäre es sicher umgekehrt. Wir fingen daher auch sofort mit der Namenssuche an. Auf den ersten Namen Sascha konnten wir uns relativ schnell einigen, obwohl Andi ihn anfangs nicht mochte. Er musste dabei immer an eine Zeile aus einem Lied der „Toten Hosen“ denken. „Der Sascha, der ist arbeitslos. Was macht er ohne Arbeit bloß. Er schneidet sich die Haare ab und pinkelt auf ein Judengrab.“ Diese Assoziation gab es bei mir zum Glück nicht. Andi gewöhnte sich trotz allem recht schnell an die Vorstellung, dass unser Sohn Sascha heißen soll. Vielleicht war er aber auch klug genug zu erkennen, dass es keinen Sinn machte, darüber zu diskutieren. Schließlich erklärte ich ihm ja auch immer wieder, dass ich ja die Übelkeit, Schmerzen und so weiter ertragen muss. Somit habe ich natürlich ein Vorrecht bei der Namenssuche, als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten so zu sagen. Mir gefielen außerdem russische Namen, denn ich war früher oft mit meinen Eltern in die baltischen Staaten gefahren. Wir hatten dort oft einige entfernte Verwandte besucht und ich fand diese Namen oft interessanter als die deutschen oder englischen, die man schon so oft gehört hatte. Ich kannte auch sonst niemand weiter in unserem Umfeld mit diesem Namen. Doch kaum hatte man ihn gewählt schon tauchten überall Saschas auf: Im Fernsehen, auf Werbetafeln usw. Alle Welt schien auf einmal Sascha zu heißen. Einfach unbegreiflich! Aber wir blieben bei unserer Entscheidung. Oder vielmehr ich bei meiner, denn schließlich kann man als Frau ja nicht zugeben, dass man Unrecht hatte. Das würde den Mann nur unnötig verwirren.
Als nächstes diskutierten wir darüber ob das Kind einen zweiten Namen bekommen sollte. Ich war total dagegen und fand einen zweiten Namen viel zu albern, zu kompliziert und zu lang für das Kind. Mein Mann dagegen wollte unbedingt einen zweiten Namen, denn er hätte auch gerne einen gehabt. Außerdem durfte ich ja schon den ersten aussuchen und nun wollte er auch mal etwas bestimmen. Als Geschichtsfan hatte er sofort eine Idee: Pribislav. Der Name des ersten slawischen Fürsten von Mecklenburg, der sich Deutschland anschloss. Zuerst hielt ich das Ganze für einen Scherz. Aber Andi meinte es durchaus sehr ernst. Ich versuchte ihm zu erklären, dass unser Kind damit ganz bestimmt gehänselt werden würde oder dass wir es damit in den Selbstmord treiben würden. Wir diskutierten lange und heftig über dieses Thema und konnten uns lange nicht einigen – bis Sascha auf die Welt kommen sollte.
Da löste sich das Problem auf einmal ganz von allein. Als ich mich mit Andi im Krankenhaus im Fahrstuhl auf dem Weg zur Entbindung befand, fragte eine Schwester: „Na, wie soll er denn heißen?“ „Sascha“, antwortete ich. Die Schwester wusste nun aber, dass dieser Name vom Standesamt allein hier nicht anerkannt würde. Es war immer ein Zweitname notwendig, da sich anhand dieses Namens das Geschlecht des Kindes nicht zweifelsfrei ermitteln ließe. Ich kannte zwar nur männliche Sascha, aber was weiß ich denn schon. Die Krankenschwester selbst hatte mit ihrem Mann das gleiche Problem und der Vater gab dann dem Kind seinen Namen als Zweitnamen. Das war die Lösung Andi strahlte sofort und es war beschlossen: Unser Kind heißt Sascha Andreas. Dank der Bürokratie in unserem Land gab es nun einen glücklichen „fast“- Papa.

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