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Freitag, 15. Oktober 2010
Maus im Bauch
maria sybilla merian, 20:27h
Früher oder später bekommt fast jede Frau auch einmal die unangenehmen Seiten einer Schwangerschaft zu spüren. Ich habe mir sagen lassen, dass es da auch Ausnahmen gibt. Nämlich Frauen, die diesen Zustand als ganz besonders angenehm empfinden und sogar traurig sind wenn diese Phase vorbei ist. Sie fühlen sich in dieser Zeit besonders wohl und schaffenskräftig, freuen sich über den wachsenden Bauch und jede Bewegung des heranwachsenden Lebens. Bei mir war das ein bisschen anders. Gleich zu Beginn der Schwangerschaft ging es mit dem vollen Programm los.
In den ersten vier Monaten war mir ständig schlecht. Aber ich konnte mich nicht übergeben. Was wahrscheinlich unter diesen Umständen mal eine Wohltat gewesen wäre. Also lief ich weiß wie eine Kalkwand durch die Gegend. In Gedanken immer bei der nächsten Toilette. Ich möchte mal wissen, wer den Begriff morgendliche Übelkeit erfunden hatte. Das konnte doch nur ein Mann gewesen sein. Mir war jedenfalls nicht nur morgens übel, sondern morgens, mittags und abends. Des Öfteren auch mal nachts. Nachdem die Übelkeitsattacken verschwunden waren, konnte ich erst einmal aufatmen. Erst mal. Aber das sollte nicht lange dauern. Schon im fünften Monaten stellten sich derartige Bauschmerzen ein, dass ich oft in der Nacht davon erwachte. Ich bekam dann kaum noch ein Auge zu. Es half kein Fernsehen. Lesen oder herumlaufen. Ich durfte ja nicht mal eine Schmerztablette nehmen. Die Schmerzen waren so heftig und lästig, als hätte ich Migräne im Bauch. Eines Nachts wurde ich von den Schmerzen wahrhaft aus dem Schlaf gerissen. Ich wusste zuerst gar nicht was eigentlich los war. Ich hatte gerade von Entbindung und Wehen geträumt und wusste im ersten Augenblick gar nicht recht wo ich gerade war. Ich wusste nicht ob ich leben oder sterben sollte. Mit Mühe erkannte ich, dass ich noch zu Hause und nicht schon im Kreißsaal war. Ich konnte mich nicht rühren und auch nichts sagen. Ich konnte gerade noch mit einer Hand nach Andi greifen der neben mir lag. Er schreckte hoch und sah mich nur kurz an. Dann rief sofort aus Angst, dass etwas mit dem Baby nicht stimmte, den Krankenwagen. Bei mir versank alles in einem Nebel und auf einmal stand eine Frau an meinem Bett, die sagte ich solle mein Kind fest halten und alles würde gut werden. Zwei Männer standen an meinem Bett und schauten ratlos auf mich herab. Ich weiß noch, dass ich auf eine Trage gehievt wurde. Aufstehen konnte ich nicht mehr. Dann wurde ich in den Krankenwagen verfrachtet. Andi darf Gott sei Dank mitkommen. Wir fuhren wieder einmal in die Klinik. An die Fahrt dorthin habe ich nur bruchstückhafte Erinnerungen. Alles verschwimmt irgendwie in einem Nebel aus Schmerz und Angst. In der Klinik angekommen überließ man mich erst einmal mir selbst. Ich wurde in einen Raum auf eine Liege gelegt. Herrschte zu Hause und im Krankenwagen noch Hektik, so verschwanden erst einmal alle. Eine Schwester brachte mir eine Decke, da ich nur ein Satinnachthemdchen trug. Dann waren Andi und ich mit den Schmerzen allein. Ich war schon fast wahnsinnig vor Angst und Schmerzen. Waren das etwa schon Wehen? Ich war doch erst in der fünfundzwanzigsten Woche. Die Schmerzen kamen und gingen regelmäßig. Nach etwa einer halben Stunde flauten die unerträglichen Schmerzen von selbst ab. Was für ein schönes Gefühl. Meine Angst nahm auch ab. Endlich kam auch eine Ärztin. Sie schaute mich nur kurz an und ließ mir ein CTG umlegen. Dann ging sie wieder. Nach einer weiteren halben Stunde kam sie wieder und warf einen kurzen Blick auf das CTG. „Alles in Ordnung.“, meinte sie. Sie erklärte mir, dass sie so etwas auch noch nicht gesehen hätte und wahrscheinlich ist wohl etwas in meinem Bauch gerissen. Dabei könne man sowieso nichts machen. Das alles erzählte sie mir in einem gelangweilten und genervten Tonfall. Ich wurde noch gefragt, ob ich denn jetzt noch hier bleiben möchte, aber dazu hatte ich verständlicherweise keine Lust mehr. Andi musste nach Hause laufen und erst einmal meine Sachen und das Auto holen. Von den Schwestern wurde ich ständig bedrängt, wann er denn endlich da wäre. Schließlich würde die Liege ja wieder gebraucht werden. Ich war froh da endlich raus zu sein. Als wäre ich nicht schon genug gestraft, bekam ich als nächstes auch noch unerträgliche Rückenschmerzen bei der Arbeit. Bereits nach vier Stunden vor dem Mikroskop und Computer konnte ich mich kaum noch drehen und wenden. Es tat im liegen, stehen oder sitzen weh. Ich wusste nicht mehr wohin mit mir. Ich erhoffte mir nun etwas Verständnis und Hilfe von meiner Frauenärztin. Doch die erklärte mir, sogar mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, dass es ja wohl jetzt noch nicht so schlimm sein kann, denn der schwerste Teil der Schwangerschaft würde mir ja noch bevorstehen. Helfen, könne sie mir da überhaupt nicht. Dabei war die Lösung so einfach wie mir meine Hausärztin verriet. Ich musste mich nur von Andi mit einem Massageball in der Rückengegend massieren lassen und die Schmerzen reduzierten sich auf ein erträgliches Maß. Danach war ich auf der Suche nach einer neuen Gynäkologin. Sehr viel später erfuhr ich, dass es sich bei diesen Schmerzen um eine Nierenbeckenentzündung handelte, die ich bis zum Ende der Schwangerschaft mit mir herumtragen musste. Als mein kleines Kind immer größer wurde, wuchsen auch meine Beschwerden. Eines Morgens, so in der 18. Schwangerschaftswoche, ich war noch im Tiefschlaf, da ging der Wecker los. Ich bekam einen Riesenschreck, fuhr hoch und wusste gar nicht richtig wo ich war. Etwa eine Sekunde später erschrak noch jemand - aber in mir. Das war ein sehr seltsames Gefühl. Mit so etwas hatte ich gar nicht gerechnet. Mein Baby meldete sich danach immer öfter. Zuerst hatte ich das Gefühl eine Maus verschluckt zu haben, die in mir ruhelos herumkroch. Das empfand ich als sehr lustig und freute mich über jedes Lebenszeichen meines kleinen Babys. Später wurde aus der Maus ein Meerschweinchen und schließlich ein Kickboxer. Da war es dann schnell vorbei mit der Freude. Ich war glücklich über jede Minute, in der ich meine Ruhe hatte. Da mir der Bauch sowieso schon Probleme bereitete, machte mir mein kleiner Zwerg zusätzlich zu schaffen. Ich hatte das Gefühl, als würde er nie schlafen, sondern ständig in meinem Bauch herumrotieren. Ich spürte jede einzelne Bewegung, Tag und Nacht. Es schien überhaupt kein Ende zu nehmen. Ich versuchte alles – schwimmen, singen, beruhigende Musik hören. All das beeindruckte ihn überhaupt nicht. Das veranlasste mich wohl auch zu der Überlegung, dass dieses Baby hyperaktiv sein musste. Ich hatte schon das Bild eines Zappelphilipp im Kopf, der bei Tisch und in der Schule keine Minute ruhig sitzen konnte. Diese Vorstellung fand ich in gewisser Hinsicht auch schon wieder komisch. Hinzu kam noch das Gefühl mein Baby würde ständig unten herausfallen. Ich traute mich kaum zu stehen oder zu gehen, weil es mit dem Kopf so sehr nach unten drückte, dass ich schon eine Frühgeburt befürchtete. Ich war durch die Zappelei, die damit verbundenen Schmerzen und die ständigen Verlustängste inzwischen ein Wrack. Nervlich wie körperlich. Verständnis bekam ich keins. Ich hatte seit Monaten keine Nacht mehr geschlafen. Wie froh war ich als mir von meiner Ärztin Schmerz- und Schlafmittel verschrieben wurde. Endlich mal wieder eine Nacht schlafen. Und ich hatte gedacht, dass das mit den schlaflosen Nächten noch bis zur Geburt des Kindes Zeit hätte. Wenigstens blieben mir einige Schwangerschaftsbeschwerden erspart: Nächtliche Fressattacken, Wasser in den Füssen, wodurch diese groß wie Eimer sind und unkontrollierte Gewichtszunahme. Aber solche Beschwerden wären mir in dieser Situation lieber gewesen. ... link (0 Kommentare) ... comment ... older stories
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Letzte Aktualisierung: 2010.12.20, 08:58 status
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